Gesang des Germanisten
(Melodie: wie die Strophen in ›At the outset I may mention‹ aus Gilbert & Sullivans The Grand Duke. Mit zunehmender Verzweiflung vorzutragen.)
Ständig werde ich verlacht und
nur mit Hohn und Spott bedacht und
damit muss nun endlich Schluss sein. Ja: Ich bin ein Germanist!
Trotzdem sollten Sie mich schätzen,
denn ich bin nicht zu ersetzen. –
Ich verrate nun, weshalb das, was ich mache, wichtig ist:
Niemand außer mir würd je die
Einkaufszettel Goethes edi-
tionsgerecht zusammentragen. Und im Prachtband publiziern.
Gäb es mich nicht: Keiner wüsste,
wann George wen wie küsste;
ich kann so etwas durch einen Zeilensprung rekonstruiern.
Nur dank mir und meinesgleichen
weiß man, was die Fragezeichen
in den Werken Eichs und Eichendorffs bedeuten sollen: Geist.
Ich entdeckte Scheerbarts Flunder,
und so nimmt's durchaus nicht wunder,
dass man mich bisweiln den ›Däniken der Hermeneutik‹ heißt.
Wandern kann ich wie Fontane
(die Gedichte und Romane
dieses Realisten laden förmlich zum Entfliehen ein).
Mir geht selten mal der Mut aus,
nur bei Grass neig ich zu Wutaus-
brüchen. Um mich zu beruhigen, schau ich dann bei Klopstock rein.
Ich find raus, wo Walter Muschg saß,
als er erstmals Wilhelm Busch las,
und dass dies kein reiner Reim war, merk ich an – wenn man mich lässt.
Über Lyrik denk ich wie Benn,
und wie Heine über's Lieben.
Sekundärliteratur erschloss den ganzen großen Rest.
Sehn Sie zu, wenn ich gleich Frenzel
durch die deutsche Dichtung tänzel!
(Jedoch hätte ich ihr ungern andre Grenzen einverleibt.)
Lesen Sie, wenn ich wie Hegel
durch die Welt des Geistes segel
und den Schlegel, nein: Brentano rüg, bis nur ein Wundmal bleibt.
Das beherrsch ich, und noch viel mehr;
weiß schon über Hauptmanns ›Thiel‹ mehr,
als der durchschnittliche Lehramtsersti bloß ertragen kann. – –
Also: Falls Sie eine Stelle
oder wenigstens Novelle,
die ich untersuchen könnte, haben: Rufen Sie mich an!
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