Sonntag, 30. Dezember 2018

Anderswo (5)

Am 8. Januar lese ich gemeinsam mit der Titanic-Redaktion im Frankfurter Club Voltaire und trage dabei ein paar Gedichte vor. Um 20:30 Uhr geht's los, kommt alle oder lasst es eben bleiben.

Donnerstag, 20. Dezember 2018

Sehr kurze Ballade

Sehr kurze Ballade über einen unerfahrenen Bahnreisenden

Er öffnete die Tür: Er stand,
bemerkte er, im Führerstand
und störte dort wohl wen:

»Mach hinne, dass du fort bist!« Roh
schrie der. Er floh gen Bordbistro
und ward nicht mehr gesehn.

Mittwoch, 7. November 2018

Anderswo (4)

In der Ausgabe #90 des Fußballfachblattes Der tödliche Pass bin ich mit gleich acht Gedichten vertreten. Wer sich also für Verse über Themen wie Videobeweis, Fieldreporter und Kreisklasse-Schiedsrichter interessiert, sollte zuschlagen und sich dann an die guten Seiten (41-45) halten.

Dienstag, 30. Oktober 2018

Filmgedicht: Der Exorzist

Der Exorzist

Hör dir lieber meinen Rat an:
Suche nie den Bund mit Satan,
   denn das geht nur selten gut.
Äußerst schnell, du wirst schon sehen,
kann er dir den Kopf verdrehen,
und du spuckst, da hilft kein Flehen,
   neongrünen Schleim und Blut.

Regan ahnte nichts vom Bösen,
ließ es unterm Bettchen dösen,
   und da schritt es kühl zur Tat.
Regan klagte: »Das tut weh, Mann!«,
sah den Dämon als Problem an,
und sie fluchte wie ein Seemann,
   dem man gegens Schienbein trat.

Ratlos staunten Psychologen:
Dieses Gör schien ungezogen,
   und im Kopf ein wenig weich.
Also galt's, zu überlegen:
War die einst so süße Regan
überhaupt gesundzupflegen?,
   denn sie wirkte schon recht bleich,

und sie schrie so diabolisch! –
Doch die Rettung war katholisch
   und entsprechend kompetent:
Exorzisten (darum heißt der
Film auch so) und damit Meister
in der Wissenschaft der Geister
   exorzierten exzellent. –

Ach, die Hirten fielen bei der
harten Gottesarbeit leider
   an den schwefeligen Feind.
Doch die Story vom erlösten
kleinen Mädchen und dem größten
Leid mag dahingehend trösten,
   dass nach Regan Sonne scheint.

Dienstag, 11. September 2018

Anderswo (3)

Am 12.09.2018 erscheint im Verlag Antje Kunstmann die von Christian Maintz herausgegebene Anthologie Vom Knödel wollen wir singen. Kulinarische Gedichte. Neben anderen aufstrebenden Nachwuchsdichtern wie Rainer Maria Rilke, Christian Morgenstern und Thomas Gsella bin auch ich mit einem Gedicht vertreten. Daher lege ich hiermit allen Freundinnen und Freunden des Rosenkohls insbesondere die Seiten 68 und 69 ans Herz.

Mittwoch, 5. September 2018

Der Löwe

Der Löwe 

Übertragung von »The African Lion« von A. E. Housman

 

Wenn sehr böse Kinder durch Wüsten spaziern,
dann schnappt manch ein Löwe gern zu;
doch artigen Kindern kann gar nichts passiern,
die lässt er natürlich in Ruh.

Und beißt er versehentlich doch mal ein Stück
aus dem Körper von so einem Kind,
dann spuckt er's gleich aus, denn er schämt sich zum Glück,
und dann flieht er so schnell wie der Wind.

Ihr braucht, liebe Kinder, wenn euch einmal frech
ein Löwe begafft, nicht zu schrein,
denn er klaut euch sogar bei dem riesigsten Pech
nur den Kopf oder 'n einzelnes Bein.

Freitag, 31. August 2018

Depressives Morgenlied

Depressives Morgenlied

Der Tag beginnt:
Ade, oh Nacht!
Die Vögel sind
schon aufgewacht.

Der Wind weht sacht,
ja: lind. Und in d-
er Ferne lacht
ein Kind.

Das Dunkel weicht,
denn wärmend streicht
der Sonnenschein

durch frühe Ruh
zum Fenster rein: –
Doch ach!, wozu?

Donnerstag, 19. Juli 2018

Der Radfahrer

Der Radfahrer

Der Berg ist steil. Die Abfahrt kurz.
Dann kommt er auf die Grade.
Nun naht das Ziel. Beginn des Spurts.
Es regnete. Das ist ihm schnurz.
Er tritt und tritt und tritt und Sturz.
Tja, schade.

Donnerstag, 21. Juni 2018

Lehrgedicht

Lehrgedicht über den richtigen Umgang mit Außerirdischen

Wenn am Himmel Kugeln kreisen,
   die mit kolossalen Strahlen
   deinen Namen in die fahlen
   abendlichen Wolken malen,
darfst du keinen Mut beweisen;
nein: Dann schleiche dich auf leisen
Sohlen fort
                 von diesem Ort.

Wenn im Garten UFOs landen,
   denen Kreaturn entsteigen,
   die drauf brennen, dir ihr eigen-
   artiges Gefährt zu zeigen:
Lass das Angebot versanden,
tu als hättst du's nicht nicht verstanden,
lächle dumm
                    und dreh rasch um.

Wenn dich grüne oder graue
   Wesen in ihr Raumschiff reißen,
   dich auf den OP-Tisch schmeißen
   und in deine Beine beißen;
dann, mein lieber Freund, vertraue
besser nicht aufs Glück, nein: Haue
ihnen auf
              den Kopf. Und lauf!

Donnerstag, 14. Juni 2018

Anderswo (2)

Eine knallharte WM-Analyse im runderneuerten Titanic-Newsticker: Flüchtige Buchmachergedanken. In den nächsten Wochen wird dort noch mehr folgen.

Donnerstag, 31. Mai 2018

Hilferuf

Hilferuf

Der Dichter spricht,
lauscht konzentriert!
»Wer ein Gedicht
schreibt, der verliert

die Übersicht
und manövriert
nur schlicht und nicht
sehr routiniert. –

So irr ich blind
durchs Labyrinth
des Strophenbaus

und rufe aus:
Ich fürcht, ich find
hier nicht mehr raus, ich will nach Haus zu Frau und Kind!«

Samstag, 19. Mai 2018

Geologisches Gedicht

Geologisches Gedicht

Ich bin heut durch die Zeit gereist,
doch ach!, ich bin zu weit gereist:
Ich stecke im Karbon.

Ich wollte Hitlers Killer sein,
nun muss ich etwas stiller sein:
Die Dinos lauschen schon.

Ich scheiterte wie Stauffenberg,
nun lauf ich leider auffen Berg
und vor den Viechern fort.

Jetzt jagen mich die wütenden
behütenden (da brütenden)
Gestalten durch den Ort...

Doch eh man mich mit Bissen schafft,
befrag ich noch die Wissenschaft:
Ich dachte eigentlich,

die kamen in der Trias auf? –
Sie fressen leider my ass auf.
Das war's mit dem Gedich

Montag, 2. April 2018

Erinnerung/Lob der Müdigkeit

Erinnerung/Lob der Müdigkeit

 

Als einst die ersten UFOs erdwärts schwebten,
lag ich im Bett und ahnte nichts davon.
Ich träumte bloß vom Promi-Biathlon,
und spürte nicht, dass alle Straßen bebten.

Die Hauptstadt hieß zu dieser Zeit noch Bonn,
und manche, die inzwischen tot sind, lebten.
Die Gliederfüßer an der Decke webten.
Ein grüner Strahl zerstob das Pentagon.

Ich schreckte auf, doch schlief schon wieder ein.
Die Marsianer schossen tausendmal,
und viele abgegebne Schüsse trafen.

In fernen Häusern mochten Menschen schrein.
(Ich hörte nichts.) Und komme zur Moral:
Am Ende aller Tage soll man schlafen.

Dienstag, 27. März 2018

Fußballgedicht: Der Einwechselspieler

Der Einwechselspieler

Traurig hockt
   er und sinnt:
Mist, verzockt,
nur gejoggt,
Laufbahn stockt.
   Match beginnt.

Lang nichts los,
   Team bleibt blass,
Gegner bloß
furios...
Gegenstoß! –
   Schlechter Pass.

Halbzeit: tja.
   Anhang klagt.
Dann Eklat,
0:1. Ahh!,
Ende nah.
   Trainer fragt:

Wechsel? Deal.
   Und zum Dank
Schuss aufs Ziel,
Torwart fiel.
Nächstes Spiel
   wieder Bank.

Freitag, 16. März 2018

Grzimmelshausen

Grzimmelshausen

 

Das, was dort hüpft, sind Kängurus,
    und so läuft ihre Balz ab:
Erst tritt er fest auf ihren Fuß
und beißt ihr Nackenhaar zu Mus,
    dann schnürt sie ihm den Hals ab.

Infolgedessen, man kann's sehn,
    nimmt sie die Kralln und sticht zu.
So ist die Balz zwar Phänomen,
doch, wie Sie jetzt sehr wohl verstehn,
ästhetisch Murks, kaum telegen.
    Am besten, man schaut nicht zu.

Dienstag, 27. Februar 2018

Elizabeth lief in den Garten hinein

Elizabeth lief in den Garten hinein
(Übertragung von »As into the garden Elizabeth ran« von A. E. Housman (unten))

Elizabeth lief in den Garten hinein
und hörte knapp hinter sich Ann wütend schrein,
da trat sie auf irgendein Ding, welch ein Graus!,
und wie eine Kröte sah dieses Ding aus.

Es sah aus wie ne Kröte, das hat einen Grund,
denn es war eine Kröte, auf die sie trat, und
nachdem sie die Kröte betrat, fand sie, dass
das Tier nicht mehr munter schien, sondern sehr blass.

Elizabeth ließ ihren Abdruck zurück
und rannte wild weiter und hoffte aufs Glück,
und hörte, wie Ann jetzt am Tatort wohl sah
was eben geschah, denn die Kröte lag da.

Sie hörte davon, denn vom Firmament drang
ein dröhnender Schrei und ein knallender Klang,
da Ann schrecklich schnaufte nach stressigem Spurt,
und über der Kröte, oh!, ohnmächtig wurd.

Die Schuhsohle schützte Elizabeth vor
der Schwester, die so die Verfolgung verlor;
und kommt seither irgendne Zankerei auf,
dann sucht sie ne Kröte und tritt auf sie drauf.




As into the garden Elizabeth ran

As into the garden Elizabeth ran
Pursued by the just indignation of Ann,
She trod on an object that lay in her road,
She trod on an object that looked like a toad. 

It looked like a toad, and it looked so because
A toad was the actual object it was;
And after supporting Elizabeth's tread
It looked like a toad that was visibly dead. 

Elizabeth, leaving her footprint behind,
Continued her flight on the wings of the wind,
And Ann in her anger was heard to arrive
At the toad that was not any longer alive. 

She was heard to arrive, for the firmament rang
With the sound of a scream and the noise of a bang,
As her breath on the breezes she broadly bestowed
And fainted away on Elizabeth's toad. 

Elizabeth, saved by the sole of her boot,
Escaped her insensible sister's pursuit;
And if ever hereafter she irritates Ann,
She will tread on a toad if she possibly can.

Mittwoch, 31. Januar 2018

Der Transfer-Coup

Der Transfer-Coup

Sein Wechsel klappte über Nacht.
    Zum Finanziellen: kein Satz.
Die Presse schrieb, er käm mit Macht
als 6, als 10 sowie als 8
    und links wie rechts zum Einsatz.
Er lobte (teils auf deutsch!) die Fans
bei seiner Pressekonferenz.

Das Youtube-Video gefiel:
    Sein Schuss war fest, ja: bleiern;
das Auge gut, der Stil skurril.
Er traf im ersten Freundschaftsspiel,
    doch stolperte beim Feiern.
Es dauerte nur Stunden bis
zur Diagnose – Kreuzbandriss.

Drum fehlte er sehr lang verletzt,
    doch rekonvaleszierte,
und hätt nun gerne eingenetzt,
bloß: wurde auf die Bank gesetzt.
Das hat ihn leider so vergrätzt,
dass er (sonst säß er dort noch jetzt)
    bei Twitter lamentierte.
Er floh nach einem halben Jahr.
Dann holte man den nächsten Star.

Mittwoch, 3. Januar 2018

Fischerweise

Fischerweise
Für Schlechta und Schubert

Herrn Fischer fechten Sorgen
und Kram wie Gram nicht an,
drum fährt er jeden Morgen
als Schaffner mit der Bahn.

Da lagert rings noch Friede
im Zug aus Offenbach;
er ruft mit seinem Liede
die müden Pendler wach.

Er schreitet stramm zu Werke,
mit stolzgeschwellter Brust:
Die Arbeit gibt ihm Stärke,
die Stärke Lebenslust.

Wenn wer aus dem Gewimmel
sich falsch zu fahren traut,
dann gnad' ihm Gott im Bimmel,
dann wird Herr Fischer laut. –

Des Zuges Bremsen gellen,
dann wirft er resolut
den ärmlichen Gesellen
tief in des Maines Flut.

Betrüger, spar die Tücke,
er ist ein schlauer Wicht:
Spiel nicht mit deinem Glücke,
Herrn Fischer narrst du nicht!