Anthologien (komischer Lyrik), das bemerkte Robert
Gernhardt in einem Essay zu Ringelnatz, tendieren dazu, die
immergleichen Werke zu enthalten. Dieser Tendenz kann sich auch diese
Sammlung kaum entziehen, dennoch sollen hier in loser Reihe einige
Gedichte abseits von Bumerang und Galgenlied vorgestellt werden, die an
anderer Stelle zu kurz kommen.
Hanns von Gumppenberg - Sommermädchenküssetauschelächelbeichte
An der Murmelrieselplauderplätscherquelle
Saß ich sehnsuchtstränentröpfeltrauerbang:
Trat herzu ein Augenblinzeljunggeselle
In verweg’nem Hüfteschwingeschlendergang,
Zog mit Schäkerehrfurchtsbittegrußverbeugung
Seinen Federbaumelriesenkrämpenhut –
Gleich verspürt’ ich Liebeszauberkeimeneigung,
War ihm zitterjubelschauderherzensgut!
Nahm er Platz mit Spitzbubglücketückekichern,
Schlang um mich den Eisenklammermuskelarm:
Vor dem Griff, dem grausegruselsiegesichern,
Wurde mir so zappelseligsiedewarm!
Und er rief: »Mein Zuckerschnuckelputzelkindchen,
Welch ein Schmiegeschwatzeschwelgehochgenuß!«
Gab mir auf mein Schmachteschmollerosenmündchen
Einen Schnurrbartstachelkitzelkosekuß.
Da durchfuhr mich Wonneloderflackerfeuer –
Ach, das war so überwinderwundervoll ...
Küßt’ ich selbst das Stachelkitzelungeheuer,
Sommersonnenrauschverwirrungsrasetoll!
Schilt nicht, Hüstelkeifewackeltrampeltante,
Wenn dein Nichtchen jetzt nicht knickeknirschekniet,
Denn der Plauderplätscherquellenunbekannte
Küßte wirklich wetterbombenexquisit!!
nach O. J. Bierbaum und anderen Wortkopplern
Quelle z. B.: https://de.wikisource.org/wiki/Sommermädchenküssetauschelächelbeichte
Das Gedicht ›Sommermädchenküssetauschelächelbeichte‹ stammt aus dem Band Das teutsche Dichterross, den Hanns von Gumppenberg (1866-1928) erstmalig 1901 veröffentlichte und der Parodien auf Dichter des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts enthält. Zielsicher (wenngleich bisweilen etwas zu zahm) knüpft von Gumppenberg sich zum Beispiel Rückert, Heine und Eichendorff, Liliencron, Dehmel und Rilke vor, und insbesondere im Falle Otto Julius Bierbaums ersparen die beiden nachgedichteten Werke den Blick in die originalen Gedichtbände (etwa in den passend betitelten Irrgarten der Liebe. Sein komischer Schlüsselroman Stilpe über einen scheiternden Künstler hingegen ist noch heute lesenswert.).
Ferner hervorzuheben sind ›Die Haide‹, ›Das Oadelwoass‹ sowie ›Liebesjubel‹; und besonders ausführlich schließlich widmet von Gumppenberg sich den Gedichten und Prosastücken Paul Scheerbarts. In seinen Erinnerungen schreibt er darüber folgendermaßen: »Als ich einmal den Abend mit Scheerbart in dessen armseliger Wohnung verbrachte, kam ich auf den Einfall, eine Anzahl kleiner Skizzen in seinem Stil zu improvisieren, ich schrieb und schrieb gleich ein ganzes Dutzend auf lose Quartblätter, wie es mir gerade in den Bleifstift kam. Scheerbart aber, frei von eitler Verletzung, hatte seine helle Freude daran, ja steuerte selbst zu jeder Skizze den Titel und Untertitel bei. Die Mehrzahl dieser Parodien habe ich dann später, samt jener Scheerbartschen Überschrift, in das Teutsche Dichterroß mit aufgenommen.«
Es steht zu vermuten, dass beispielsweise Stefan George, den von Gumppenberg ebenfalls verspottete, anders reagiert hätte.
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