Dieser recht unbestreitbare Umstand aber hält und hielt die Lyriker nicht davon ab, den Menschen immer wieder auf seine Reimbarkeit abzuklopfen, wie unlängst Steffen Brück auf seinem Blog bewies, wo er vier Beispiele für entsprechende Reime anführte. Ich möchte die Liste hier um einige Reimpaare ergänzen, die ich mir einmal aus höchst wissenschaftlichen Gründen notierte. (Juhu, ich habe also doch nicht völlig umsonst studiert!)
Da wäre beispielsweise ein Kniff, der mindestens zwei Dichtern (unabhängig voneinander?) einfiel, nämlich Salomo Friedlaender alias Mynona und Alexander Moszkowski. Im zweiten Gesang von Mynonas »Kopernikade« – im ersten reimte er bereits Mörder auf Herder – finden sich die Zeilen: »Dort saß ein männlicher Mensch! / Er stotterte: ›Wenn sch... / Wenn schon ...‹«.
Ausführlicher bedient Alexander Moszkowski sich dieses Tricks in »Mensch, reime dich!«, wenngleich der erste Reim streng genommen minimal unrein ausfällt:
Alexander Moszkowski: Mensch, reime dich!
Er hat der Laster mancherlei
Entwickelt zu allen Zeiten;
Doch dass er nicht mal reimbar sei,
Der sogenannte Mensch,
Das muss man doch ganz entsch...
Ja, ganz entschieden bestreiten!
Zwar mancher legt drauf keinen Wert,
Wenn er die Reimbarkeit erfährt,
Die man ihm früher unterschlagen;
Und zeigt sie ihm der Mensch,
So wird er bloß: nu wenn'sch...
Nu, wenn schon! wird er sagen.
Was mag sich wiederum Heinz Erhardt wohl dabei gedacht haben, als er Mensch im Gedicht »Mary und Lisa« auf Lunch reimte? Wahrscheinlich hatte er gerade Kurt Tucholsky gelesen, der nämlich bereits 1924 in »All right« auf dieselbe zweifelhafte Idee kam:
»Tausend englische Gentlemen nehmen wieder in Ruhe ihr Breakfast und ihren Lunch, / denn es hat sich ausgemacdonaldt – gefallen ist endlich der ekelhafte Mensch...«.
Solche schiefen Fremdwortreime finden sich bei Tucholsky übrigens häufiger, zu nennen wären unter anderem »hereingeredet / Credit«, »Privileg / Steak« oder das bei klischeehafter deutscher Aussprache eigentlich ziemlich akzeptable Reimpaar »Hotels / health«.
Neben Lunch bot Tucholsky noch einen weiteren vermeintlichen Gleichklang auf; er bemühte die nicht eben reimverdächtige polnische Stadt Zbąszyń, die den deutschen Namen Bentschen trug (was wiederum an Rühmkorfs »... sind die Gottfried Bennschen« erinnert):
»Und zunächst in der Neumark, in der Nähe von Bentschen, / landet er. ›Himmel, was sind das für Menschen!‹« (»Der alte Fontane«, 1918). Weil ihm dieses Spiel offenbar so gut gefiel, wiederholte er es 1927 in »Der Rhein und Deutschlands Stämme« einfach:
»Wer Lieder für Operetten schreibt
aus Prag, aus Wien und aus Bentschen –:
den Rhein möcht' ich sehn, der da ungereimt bleibt –
es sind halt geschickte Menschen!«
Erich Mühsam schließlich umging das Problem des direkten Reims auf die Menschen geschickt, indem er sie in seinem Ghasel mit dem abgefahrenen Titel »Ghasel« zwar Teil der gleitenden, mitunter gespaltenen Reime sein lässt; selbst aber müssen die Menschen wenig zum Gleichklang beitragen, da dieser jeweils wesentlich von den vorherigen Silben bedingt wird:
Euer Schicksal sind stets eure Taten, Menschen!
Will des Schaffens Glück euch nicht geraten, Menschen,
klagt euch selber nur der Unterlassung an.
Schwer von Brotfrucht prangten eure Saaten, Menschen.
Doch die Friedensarbeit ließ euch unbeglückt,
und aus freien Brüdern wurden Staatenmenschen.
Na, usw. – Dass es noch weitere weitgehend unreimbare Wörter (und kreative Auswege) gibt, mag das abschließende Beispiel aus Mühsams Gedicht »Angriff!«, das Goebbels und dessen Zeitung verspottet, belegen:
Doch aus Furcht und Hoffnung in die Hose f-
-iel sein nationales Herz, o Graus!
Und infolgedessen sieht der Josef
wirklich ziemlich angegriffen aus.
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