Hier geht's zu Teil 1.
I
2016 war auch das Jahr der naheliegenden, billigen Witze, die – anders als teure, demnächst abgeschaffte Geldscheine – auf der Straße lagen und von mir zu Sonetten zerdehnt wurden:
Nachruf auf den 500-Euro-Schein
500er, du Rätsel! Du Versprechen!
Du roter (oder violetter?) Stern!
Dich liebt die Welt, und mehr als einen Herrn
sah man für dich schon fremde Knochen brechen.
500er, dich haben alle gern!
Nur einer namens Draghi will dich schwächen,
dich (metaphorisch) hinterrücks erstechen:
Doch mir, oh bitte glaub das, liegt dies fern.
500er, du Rätsel (siehe oben)!
Ich komme nicht umhin, dir zu geloben:
Ich möchte ewig deinen Namen nennen.
500er, du schönster aller Scheine!
Bald trägt man dich zu Grabe, und ich weine:
Wir lernten uns doch niemals richtig kennen!
II
Das obligatorische Tiergedicht im naiven Ringelnatz-Ton:
Lied der Hausspinne
Verschont mich!, denn ich bin bloß eine kleine
Erscheinung: das Klischee des Bösewichts,
und geb's ja gerne zu: Ich hab acht Beine.
Doch dafür kann ich nichts.
Ihr liebt mich nicht, wie ihr zum Beispiel Katzen
beziehungsweise Rauhaardackel liebt.
Ihr nehmt halt hin, dass es mich gibt,
und schneidet hinter meinem Rücken Fratzen,
falls ihr nicht gleich zum Handstaubsauger greift.
Ihr seht mich an, als solle ich verschwinden
(was ihr bisweilen sogar wörtlich keift):
Wohin denn? –
Nur nächtens streif ich ohne Furcht umher,
erblick mein Schicksal vor mir. Und beklag es.
Und seufze schwer. Ich säh gern eines Tages
noch das Meer...
III
Bescheidener Beitrag zur Poetik des Limericks
Stilecht holpernd
Jeder Dichter gehört doch gepfählt,
der noch heute den Limerick wählt;
der die Reimregeln nicht kennt,
doch sein Schundwerk Gedicht nennt,
das in Vers 6 zur Pointe sich quält.
(Oder 5? Fuck, ich hab mich verzählt!)
IV
Literaturkritik
Das beste Buch von Heine ist
noch immer das der Lieder.
Es gilt dem Liebchen, die* der
Herr Dichter immer wieder
und häufig kreuzgereimt vermisst.
Der (Wortspiel!) tiefste Text von Hei-
ne übrigens ist auch dabei:
Er handelt von der Loreley.
* Lies: das
V
Ein schreckliches Kind
Übertragung von ›A terrible infant‹ von Frederick Locker-Lampson
Mein Kindermädchen namens Ann
trug mich einmal spazieren und
traf dabei einen jungen Mann,
der küsste sie auf ihren Mund:
Kein bisschen Streit war das Ergebnis!
Ich dacht: »Aha!
Das sag ich, wenn ich's kann, Mama.«
– Das war mein frühestes Erlebnis.
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