Mäßige bis schlechte Gedichte machen, wenn sie alleine stehen, einen verheerenden Eindruck. In der Masse jedoch fällt manche Schwäche nicht so sehr ins Auge – ein Umstand, den man das Eugen-Roth-Auswahlband-Phänomen nennen könnte.
Na, jedenfalls: Wie 2015 (vgl.
hier) folgt an dieser Stelle eine Auswahl meiner unveröffentlichten Gedichte aus den vergangenen Monaten, heuer in zwei Teilen.
I
Teil 1 beginnt mit einem Text aus dem Frühling: Thilo Sarrazin veröffentlichte sein neues Standardwerk »Wunschdenken. Europa, Währung, Bildung, Einwanderung - warum Politik so häufig scheitert«, dessen Themenfelder ich in den folgenden Versen skizzierte:
Sarrazins Wunschdenken
In Reimform gebracht
Das Land zerbricht, der Syrer sticht
und plündert nach Belieben.
Ich bin entsetzt und habe jetzt
ein Buch dazu geschrieben.
Ich zähle zwar auf Ihren Kauf,
doch führ schon mal die Thesen auf:
Europa fällt, da alle Welt
als Flüchtling akzeptiert wird.
Das Ende naht, weil unser Staat
seit Jahren falsch regiert wird:
Doch auf der Seite 108
erklär ich, wie man's richtig macht.
Die Währung wankt, die Wirtschaft krankt,
VW liegt brach: so traurig!
Was Wolfsburg war, wird Kandahar. –
Wen das nicht rührt, bedaur ich.
Sie schätzen Geld so sehr wie ich?
Dann investieren Sie's in mich!
Zur Bildung: Bernd aus Freital lernt
nun nicht mehr richtig rechnen,
denn Ibrahim entwendet ihm
die Zahlen (was ich frech nenn!).
Die Jugend liest heut Böll und Co.
statt Weininger und Gobineau.
Die Migration schlägt unsre schon
bisweilen groben Epen
in Sachen Blut. Nun ist es gut,
wir brauchen eine le Pen!
Statt Merkel, Morus, Bloch: Pegi-
da sei uns Deutschen Utopie!
Mehr steht nicht drin. In diesem Sinn:
Auf dass mein Buch uns rette!
Erstehn Sie's fein in Leinen ein-
gebunden/auf Diskette,
und lesen Sie es
ganz genau!
Ich schließe nun mit Grüßen. Ciao.
II
2016 wird bekanntlich in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem die Promis ausstarben. Der folgende Nachruf ist ohne konkretes Ziel, reimt sich aber immerhin ganz schön:
Nachruf auf irgendeinen Komiker
»Wegbereiter«
und so weiter
wurde er genannt,
seit er
Heiter-
keit er-
fand.
III
Kindersonett: Frankreich
Warst du schon ein-
mal in Paris?
Sag, trankst du Wein
und schlucktest Brie und spucktest »Ihh!«?
Franzosen schrein
oft »C'est la vie!« –
was soll das sein?
Verstehst du sie? (Ich tat es nie.)
Saßt du am Meer,
last du Voltaire
und Baudelaire und Weiß-nicht-wer?
(Heißt das nicht -wen?)
und hast du den
Fluss Seine gesehn? So, hast du? Scheen!*
*: Heißt das nicht schön?
IV
Traum
Mir fiel ein Universum aus der Hand:
aus welcher? Spielt hier wirklich keine Rolle,
die Geste war auch keine absichtsvolle.
Es stürzte halt. Mehr ist mir nicht bekannt.
Nur das noch: Als es auf dem Boden lag,
wurd mir mit einem Mal sehr flau im Magen,
und das ist etwas, was ich gar nicht mag.
Was dann passierte, weiß ich nicht zu sagen.
Bloß dies: Das Universum brummte wie –,
ein Mensch? Ein Tier? Nein, mehr wie eine Pflanze.
Es blähte sich zu einem Ball und schrie –,
beziehungsweise schwieg. Das war das Ganze.
Halt stopp, denn ein Kapitel steht noch aus:
Das Universum wuchs, bis es sehr fett war,
und schluckte mich, was nicht besonders nett war.
Ich wachte auf. Und fand nicht mehr hinaus.
V
Ich oute mich an dieser Stelle einmal als FC Bayern München-Erfolgsfan der ersten Stunde; als ca. Siebenjähriger erhielt ich zu Weihnachten ein überdimensionales Heim-Trikot mit Mario Basler-Beflockung, das mir noch im Sportunterricht in der Oberstufe gute Dienste leisten sollte. Das folgende Sonett entstand wiederum einige Jahre später, unmittelbar nach Spielschluss in ca. 15 Minuten und gibt auf diese Weise einen unverfälschten Blick auf meine damalige Gefühlslage:
Zum Champions League-Halbfinal-Hinspiel Atletico Madrid - Bayern München 1:0 (1:0)
Im Fußball wurd schon mancher Held geboren,
selbst Münchner. Nur nicht heute in Madrid:
Obwohl man fast auf Augenhöhe stritt,
hat Bayern dieses Spiel ja doch verloren.
Man hatte sich vermutlich eingeschworen,
und wirkte fit und litt
a bit und tritt,
nein, trat. Allein: Es fehlte stets ein Schritt.
Und letztlich fehlte es auch an den Toren.
Denn einer von den Madrilenen traf
(sein Name sei, doch nicht aus Wut, verschwiegen:
Ich zweifle, dass er sich ins Versmaß biegen,
ja schmiegen lässt). Drum bin ich fair und brav:
Madrid verdient den Sieg heut mehr als München.
Man sollte Diego Simeone lynchen.
VI
Und als Abschluss von Teil 1 ein weiteres Fußballgedicht, diesmal aus der diesjährigen Bundesliga-Relegation:
Nürnberg - Frankfurt 0:1 (0:0), 23.5.2016
Tom Bartels ist mein liebster Kommentator,
denn immer wenn ein Tor fällt, ruft er: »Ah, Tor.«,
und wenn gefoult wird, merkt er: »Oh, ein Foul.«
Er kennt zudem fast alle Spielernamen,
und spricht sie häufig richtig aus, denn Paul,
ich mein: Tom Bartels ist der Beste. Amen.